Freiheit. Der Philosoph Jean-Paul Sartre

Der Mensch gestaltet sein Leben, macht sich zu dem, was er ist. Wenn er geboren wird, existiert er lediglich. Fortan erschafft der Mensch sein Wesen, also seine Persönlichkeit, seinen Charakter. Wohingegen es bei Gegenständen wie Stühlen, Fenstern oder Schuhen zunächst nur das Wesen gibt, sprich das Konzept, wie sie sein sollen. Nachdem ein Mensch die Gegenstände hergestellt hat, existieren sie.

Der Mensch zuerst nur Existenz, dann Wesen – mit dieser Idee wurde Jean-Paul Sartre kurz nach dem Zweiten Weltkrieg weltberühmt. Die Jugend der 1950er-Jahre, zumindest die privilegierte und bildungsbürgerlich geprägte, war fasziniert von der Theorie des französischen Philosophen. Man wurde Existenzialist. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war von freier Selbstgestaltung nicht viel zu spüren gewesen. In zwei Weltkriegen waren Millionen junger Männer zum Sterben an die Front geschickt worden. Auch die Zivilbevölkerung wurde nicht geschont: Angst und Tod statt Freiheit und Selbstbestimmung.

Jean-Paul Sartre wusste aber auch, dass es für die Menschen nicht immer leicht ist, die Freiheit zu ertragen: „Wir sind dazu verdammt, frei zu sein.“ Jeder kennt diese Situation. Eine wichtige, wegweisende Entscheidung ist zu treffen. Man kann andere Menschen um Rat fragen, man kann Ratgeber-Literatur konsultieren, doch letztlich fasst man den Entschluss alleine – existentielle Einsamkeit.

Sartres große Zeit waren die Fünfziger-und Sechziger-Jahre. 1946 war sein berühmtes Essay „Der Existentialismus ist ein Humanismus“ erschienen. Von diesem Text distanzierte er sich zwar später, doch er ist ein guter Einstieg in sein Werk. Die Fünfziger werden häufig als konservative Zeit beschrieben. Das waren sie auch, insbesondere, wenn man als Durchschnittsbürger in der Bundesrepublik Deutschland lebte: Sissi und Gelsenkirchener Barock. Aber dieses Jahrzehnt zeichnet sich auch durch eine bemerkenswerte Modernität aus: Jackson Pollock, Hans Knoll, die Blechtrommel. Sartre war einer der Vordenker dieses Fortschritts. Zum Tragen kommen die neuen Ideen dann vor allem in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre, insbesondere im Jahr 1968. Der Wohlstand, den das Wirtschaftswunder in den 1950er-Jahren gebracht hatte, war eine wichtige Voraussetzung für diese emanzipatorischen Gedanken.

Thorsten Heckmann