Mit Herz und Verstand. „Politik als Beruf“ von Max Weber

Maut für Mindestlohn, Betreuungsgeld für Mietpreisbremse, Vorratsdatenspeicherung für Rente mit 63 – die Große Koalition ist, so wird vielerorts kolportiert, der spektakuläre Ausdruck der „Kompromissrepublik Deutschland“. Getragen, so geht die Erzählung oftmals weiter, von einer ganzen Schar blasser Politiker, welchen es lediglich um die Inszenierung der eigenen Kompetenz und den schnellen Erfolg der kommenden Wiederwahl geht. In diesem Zusammenhang wird oftmals mit verklärtem Blick auf die „charismatische Herrschaft“ Max Webers hingewiesen, die in seinem berühmten Vortrag „Politik als Beruf“ aus dem Jahr 1919 erläutert wird (Max Weber: „Politik als Beruf“, in: Gesammelte Politische Schriften, J.C.B. Mohr, Tübingen 1988). Es ist eine jener in der heutigen Medienwelt leider allzu oft vorkommenden Verkürzungen eines großen Denkers, um die politische Landschaft in allzu grellen Farben nachzuzeichnen. Zwei Aspekte scheinen hierbei in den Hintergrund geschoben zu werden: Zum einen fehlt der Hinweis auf die Komplexität der politischen Themen selbst. Freilich, so könnte man sagen, ist es nun einmal der Job eines jeden Politikers, sich die entsprechenden Inhalte anzueignen. Dies aber hilft nur scheinbar darüber hinweg, dass insbesondere die politische Sphäre in den letzten Jahrzehnten eine Komplexitätserhöhung erlebt hat, die sich einfügt in den Reigen einer grundsätzlichen Modernisierung unserer Gesellschaft, die mit allerlei Alltagsschwierigkeiten einhergeht. Die Politik sowie öffentliche Verwaltungen, so sagten bereits in den Siebziger-Jahren Peter L. Berger und Hansfried Kellner in ihrem Buch „Das Unbehagen in der Modernität“, seien hierfür nur besonders anschauliche Beispiele – und ein jeder, der nur einmal auf kommunaler Ebene Politik betrieben und so in Kommunalverwaltungen aktiv war, müsste wissen, wovon die beiden Autoren sprechen. Zum anderen ist ein allzu einseitiges Verständnis des „charismatischen Politikers“ als Inszenierer seiner selbst auch empirisch mit Vorsicht zu genießen. Hingewiesen sei hier exemplarisch auf die Studie des Soziologen Ronald Hitzler aus den Neunziger-Jahren, der anhand des damaligen Ministers Jürgen Möllemann die genaueren Funktionsmechanismen der großen Politik analysiert hat. So habe Möllemann „die Politik als einen ,entzauberten‘ Raum des herrschaftstechnisch Gestaltbaren begriffen, nie aber als eine ,magische‘ Sphäre moralischer Sinngebung.“ (Ronald Hitzler: „(Vorläufiges) Ende einer Medienkarriere. Zur Zwangsläufigkeit des Rücktritts von Bundeswirtschaftsminister Möllemann“, in: Zeitschrift für Politische Psychologie (ZfPP), 1. Jg., H. 1/1993, S. 65-71) Dieser Aspekt einer vermeintlichen Repräsentation moralischer Werte, die Möllemann vermissen ließ, und just aus diesem Grund letzten Endes keinen Erfolg in der Politik hatte, sollte zu denken geben.
Dann nämlich muss beides zusammengedacht werden: Repräsentation moralischer Werte und strategisches Handeln, Rückgrat bei Grundsatzentscheidungen und Kompromissfähigkeit. Oder wie es Weber selbst formuliert: „Denn das Problem ist eben: wie heiße Leidenschaft und kühles Augenmaß miteinander in derselben Seele zusammengezwungen werden können? Politik wird mit dem Kopfe gemacht, nicht mit anderen Teilen des Körpers oder der Seele. Und doch kann die Hingabe an sie, wenn sie nicht ein frivoles intellektuelles Spiel, sondern menschlich echtes Handeln sein soll, nur aus Leidenschaft geboren und gespeist werden.“ (Weber 1988, 545f.) Und, so möchte man hinzufügen, beides ist auch heute noch vorhanden, denn es gibt sie: jene Politiker, die die Konflikte dieser Welt tagein tagaus mit diplomatischen Mitteln zu verbessern versuchen, jene Politiker, die trotz fehlender Strukturen Entwicklungshilfe in allerlei Ländern betreiben, und sogar jene Politiker der viel gescholtenen SPD, die gegen die Maut gestimmt haben – aus purer Überzeugung. Nicht immer, so sollte man im Zusammenhang mit Max Weber festhalten, der dem, so viel der Spekulation sei erlaubt, zugestimmt hätte, ist Politik nur das, worauf der ebenso grelle wie kurzlebige Schein medialer Berichterstattung fällt.

David Emling

Abschied aus der Madison Avenue. Die letzte Staffel von Mad Men

Don Draper passt auf seine beiden Söhne auf, es gibt Milchshakes. Seine Ex-Frau Betty kehrt zurück, ein kurzes Gespräch. Ihr neuer Mann betritt die Küche, Don geht.
Seit zwei Wochen läuft die letzte Staffel der amerikanischen Serie Mad Men. Drehbuchautor Matthew Weiner hat die Zuschauer seit 2009 in die USA der Sechziger-Jahre entführt: Männer in Schlips und Kragen, Scotch am Vormittag, schwangere Frauen, die rauchen. Nach dem Familienpicknick wird der Müll einfach in den Wald geworfen, Sekretärinnen müssen die Macho-Sprüche ihrer männlichen Vorgesetzten ertragen. Frauen emanzipieren sich nur langsam und zahlen dafür einen hohen Preis: Die langjährige Chefsekretärin Joan wird erst Teilhaberin der Werbeagentur, nachdem sie mit einem wichtigen Kunden geschlafen hat. Peggy, die es von der Schreibkraft zum Creative Director gebracht hat, gibt ihr privates Glück auf.
Nicht allen gefällt die Serie. Der US-Autor Jonathan Franzen (Die Korrekturen, Freiheit) hält sie für irrelevant, andere monieren, dass ein verzerrtes Bild der Sixties vermittelt wird, manche finden sie einfach langweilig. In der Tat wirkt die Handlung etwas betulich. Schonungslose Gesellschaftskritik im Stil von Breaking Bad wird nicht geboten. Mad Men ist eine Soap Opera auf höchstem Niveau. Einige Folgen plätschern vor sich hin, nichts Bemerkenswertes passiert.
Don Draper personifiziert den amerikanischen Traum. Der Sohn einer Prostituierten, in Armut aufgewachsen, schafft es in die Chefetage einer renommierten New Yorker Werbeagentur. Doch mehr als Wohlstand ist für ihn nicht erreichbar. Seine erste Ehe, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, scheitert, die zweite ebenfalls. Don, der ein Geheimnis mit sich herumträgt, ist stets kontrolliert – nur bei seinen zahlreichen Geliebten kann er sich fallenlassen. Gibt er einmal mehr von sich preis, erfährt er Ablehnung von seiner Umwelt. Die will es makellos, heiter. Scheitert Don Draper? Bald werden wir es wissen.

Thorsten Heckmann